Godspeed You! Black Emperor veröffentlichten zwischen 1997 und 2002 eine Reihe von Alben, die weithin als Neudefinition dessen gelten, was Protestmusik sein kann. So noch nicht gehörte instrumentale Kammerrockkompositionen von immenser Gefühlskraft und Energie standen als monumentale Chiffren für die Entfremdung - und den Widerstand - im Spätkapitalismus. Die ersten vier Veröffentlichungen der Band aus Montreal – insbesondere „F#A#∞“ (1997) und „Lift Your Skinny Fists Like Antennas To Heaven“ (2000) – gelten als Klassiker ihrer Zeit und ihres mit Postrock wirklich nur unzureichend beschriebenen Genres. Die Live-Auftritte von Godspeed, bei denen mehrere 16-mm-Projektoren eine Collage aus sich überlagernden analogen Filmschleifen zeigten, die unverwechselbare Ikonografie, Ästhetik und Haptik ihrer Albumcover und LP-Verpackungen sind legendär.
Fast forward: Nach einer siebenjährigen Pause, die 2003 begann, kehrten Godspeed im Dezember 2010 schließlich auf die Bühne zurück (als Kurator des britischen Festivals All Tomorrow’s Parties). Seitdem spielten sie Hunderte ausverkaufte Live-Shows und veröffentlichten fünf weiteren Alben, die alle mit großem Beifall aufgenommen wurden. Zuletzt „NO TITLE AS OF 13 FEBRUARY 2024 28,340 DEAD”. Man muss ihre explizite Haltung zum Nahost-Konflikt nicht teilen, kann sich der emotionalen Wucht dieses auf vielen Ebenen unbehaglichen Werks dennoch kaum entziehen. Es bleibt – to say the least - diskussionswürdig. „Their combative, determined sound is gripping. Cathartic, magisterial, elegiac – the detail and sensitivity of their interplay is what fuels it”, meint der The Guardian, Wire schreibt: "NO TITLE's music matches the blunt force of its name when it makes room for discomfort. Broadly elegiac, at times even hopeful”. Und Norman Records ergänzt: "Its title pointedly referring to the Israeli-Palestinian conflict, it’s a bleak, barren and beautiful soundscape of textured noise, field recordings, effects and post-rock dynamics for fans of bands like Swans or Stars Of The Lid."
Was uns wiederum die Möglichkeit gibt, halbwegs elegant zu Kristof Hahn überzuleiten, der den Abend eröffnet und in einem anderen Leben nicht zuletzt als Lap Steel-Gitarrist eben jener Swans bekannt ist. Und als der sexiest Kaugummi-Kauer diesseits des Rio Grande. Welch infernalischen Lärm er auf seinem Instrument zu erzeugen vermag, konnte man unlängst wieder auf seiner Doppel-Solotour gemeinsam mit Michael Gira erleben. Und naturgemäß heute, hier.
Kulturzentrum Schlachthof Wiesbaden e.V.
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