Es ist nur auf den ersten Blick erstaunlich, dass die extrem rechten Kräfte in der AfD sich nicht danach strecken, als Juniorpartner in eine Koalition mit CDU/CSU einzutreten. Der rechtsextreme AfD-Politiker Maximilian Krah erklärte dazu schon 2023, er setze nicht auf die Zusammenarbeit mit der Union, sondern auf deren „Implosion“. Die politische Rechte käme nur zum Erfolg, „wenn die Christdemokraten verschwinden“.
Unterstützt wird der Angriff auf die Christdemokraten durch rechtspopulistische Kräfte wie die Werteunion undrechtspopulistische Krawallmedien wie „Nius“ von Ex-Bild Chefredakteur Julian Reichelt. Sie verbreiten, CDU/CSUseien „linksgrüne Parteien“ und Teil der „globalistischen Eliten“, die eine totalitäre Gesellschaftsform in Deutschland anstreben, und übernehmen so Scharnierfunktionen zwischen rechts-konservativ und rechtsradikal.
Vereint setzen die Rechtsaußenkräfte die Union unter Druck. Ihr Ziel: Sie rechtsradikale Kampagnenthemenaufgreifen und – gewollt oder ungewollt – verstärken zulassen.
Die AfD will die Union zerstören
Dass christdemokratischen Volksparteien eine Schlüsselrolle zukommt hinsichtlich der Frage, wie erfolgreich rechtsextreme Parteien sind, zeigt sich in anderen europäischen Staaten: Wo die Christdemokraten scheiterten, sind rechtspopulistische und rechtsextreme Kräfte in das entstehende Vakuum eingedrungen. Auch in Deutschland soll die Union der AfD bei ihrem Aufstieg zur absoluten Macht nicht mehr im Weg stehen.
Der Balanceakt der Union zwischen dem Beschwören der demokratischen Mitte und der kalkulierten Übernahme rechtsradikaler Forderungen im Bundestagswahlkampf offenbarte ihr Dilemma. Doch mit dem Aufgreifen extrem rechter Kulturkampfthemen und der verbalen Aufrüstung in der komplexen Migrationsdebatte düngten sie ein Feld, dessen Früchte allein die extreme Rechte erntete: Die jetzige AfD-Bundestagsfraktion ist die radikalste, die es je gab, und mit 152 Abgebordneten die stärkste Oppositionsfraktion.
Von verschärfter Rhetorik profitiert nur die AfD
Denn die Wahlergebnisse bestätigen, was die Politikwissenschaft schon lange sagt: Eine inhaltliche Annäherung an rechtsextreme Positionen führt zu deren Normalisierung und nützt den Rechtsextremen. Eine standhafte demokratische Union, die das demokratische Mitte-rechts Spektrum repräsentiert, wäre dagegen ein wichtiger Akteur, um den Einfluss von Rechtsextremen zurückzudrängen.
Die Journalistin Ann-Katrin Müller beobachtet die entstandene Dynamik mit Sorge. Denn bisher agiere die Union, wie es sich die AfD-Parteistrategen wünschen: Die gemeinsame Abstimmung der Unionsfraktion mit der AfD im Bundestag im Januar 2025 wird von der AfD als Erfolg ihrer Normalisierungsbemühungen gefeiert.
Und wenn CDU/CSU dann – irritiert von den Protesten – die Integrität demokratischer zivilgesellschaftlicher Akteure angreift, spielt sie erst recht jenen in die Hände, die auf die Zerstörung der Demokratie zielen.
Wir fragen Ann-Katrin Müller:
– Welche Strategie verfolgt die AfD genau?
– Wie hat der Rechtsruck die inhaltlichen Koordinaten im Parteiensystem verschoben?
– Gibt es alternative Strategien der Unionsparteien und was können sie bewirken?
– Warum können Angriffe auf die Zivilgesellschaft nicht geduldet werden?
Ann-Katrin Müller ist Journalistin und arbeitet seit 2013 als Redakteurin im Politikressort des Nachrichtenmagazins DER SPIEGEL. Ihre Themen sind die AfD, Rechtsextremismus, Desinformation und Frauenfeindlichkeit.
In der gemeinsamen Reihe und Kampagne #defenddemocracy stellen die Initiative Moment Mal! und das Kulturzentrum Schlachthof Wiesbaden durch hochwertige Bildungsangebote die wachsende Gefahr von Rechts in den Fokus und rufen auf, gemeinsam Freiheit, Vielfalt und Demokratie zu verteidigen.
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